Einer der weniger bekannten Fliegerhorste ist der Platz Lippstadt. Dennoch ist eine Auseinandersetzung mit der Geschichte des Platzes äußerst interessant. Diese Auseinandersetzung ist insbesondere auch deswegen lohnend, als der Platz und seine Geschichte gut dokumentiert sind und sich noch heute eine Reihe gut erhaltener steinerner Zeugen wiederfinden lassen.
Die Anlage des Fliegerhorstes begann mit dem Bau eines Segelflugplatzes an der Mastholter Straße. Dieser Segelflugplatz wurde in den Jahren 1933 und 1934 als sogenannte „Notstandsmaßnahme“ errichtet und stellte eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Arbeitslosen Lippstadts dar. Zur Finanzierung der Arbeiten wurden unter anderem auch die Gelder der eingesparten Arbeitslosenunterstützung eingesetzt.
Die Eröffnung des als „Privatflughafen“ gekennzeichneten Platzes sollte im Herbst 1934 erfolgen, sie wurde durch das zuständige Luftamt Münster jedoch am 8.8.1934 nach einer Begehung zunächst abgelehnt, da elementare Voraussetzungen für den Betrieb eines Platzes nicht geschaffen waren. So fehlten z. B. ein Windsack oder ein Landezeichen, aber auch Feuerlöschgerät. Im Archiv der Stadt Lippstadt findet sich ein Schreiben des Luftamtes Münster vom 17.8.1934, worin kritisiert wird, dass Privatlandeplätze und Segelfluggelände vielfach ohne vorherige Genehmigung errichtet wurden. Dieses gilt offensichtlich auch für Lippstadt, was dann wohl das genaue „Hinsehen“ bei der Abnahme des Platzes zur Folge hatte. Im September 1934 konnte dann der Flugbetrieb doch noch aufgenommen werden. Zu diesem Zeitpunkt standen auch erste Gebäude wie eine Flugzeughalle und eine Verwaltungs- bzw. Unterkunftsbaracke bereit.
Es war auch das Jahr 1934, in dem die im Geheimen im Aufbau befindliche Luftwaffe ein Auge auf das neue Fluggelände geworfen hatte und erste Grunderwerbungen des Reiches für den Ausbau des Platzes zu einem Fliegerhorst stattfanden. Ab 1935 begann der Aufbau des Platzes und bereits am 29.2.1936 wurde die Fliegerhorstkommandantur errichtet. Zuvor wurde per 19.2.1936 die inzwischen erteilte Betriebsgenehmigung für einen Zivilflugplatz zurückgezogen und die Umwidmung des Platzes in einen Fliegerhorst vollzogen. Am 1.3.1936 folgten dann der erste fliegende Verband. Auf den Plätzen Dortmund, Werl und Lippstadt wurde das Jagdgeschwader 134 „Horst Wessel“ aufgestellt, wobei Lippstadt die III. Gruppe aufnahm. Das Jagdgeschwader war mit Doppeldeckern von Typ Arado Ar 68F ausgerüstet. Die I./JG 132 „Richthofen“ war kurzfristig vom 1.3. – 7.3.36 in Lippstadt stationiert. Bereits wenige Tage später verlegte auch die I./Sturzkampfgeschwader 165 aus Kitzingen nach Lippstadt. Beide Verbände nahmen am „Rheinland-Einmarsch“ teil, bei dem die Reichswehr das entmilitarisierte Rheinland besetzte. In der Folge kam es zu wiederholten Stationierungsänderungen auf dem Platz. Die III. JG 134 blieb zunächst bis Frühjahr 1937. Mit Datum 1.4.1937 wurden der Stab und die I./KG 254 (später KG 55 „Greif“) neu aufgestellt. Die Aufstellung erfolgte im Zuge der „Zellteilung“ mit Personal der I./KG 157 „Boelke“ aus Langenhagen. Hierzu kam insbesondere Führungspersonal vom Stab sowie der I./KG 157 „B“. Die neu aufgestellten Stab und Gruppe verlegten per 18.10.1938 über eine Zwischenstationierung in Giessen nach Fitzlar.
Ab 1.11.1938 bis Beginn des 2. Weltkrieges lag dann die III./ZG 142 (ZG 26) „Horst Wessel“ auf dem Fliegerhorst. Auch dieser Verband war mit Ar 68 ausgestattet. Während des Krieges wurde der Platz vor allem durch rückwärtige Dienste genutzt. Darüber hinaus wurde er jedoch auch für die Auffrischung bzw. Neuaufteillung von Frontverbänden belegt. So wurde von August bis November 1944 die 1. Staffel NJG 11 in Lippstadt aufgestellt.
Am 19.4. sowie am 5.10.1944 wurde der Fliegerhorst durch Luftangriffe schwer beschädigt. Insbesondere Gebäude wurden stark in Mitleidenschaft gezogen. Kurz vor der Einnahme des Platzes durch vorrückende amerikanische Truppen am 1.4.1945 wurden die noch unbeschädigten technischen Gebäude – insbesondere Flugzeughallen – am 29.3.1945 gesprengt.
Kurzfristig nutzte die amerikanische Luftwaffe (373 Fightergroup ausgerüstet mit P-47 und folgenden Staffeln/Daten: 20.04. – 20.05.45: 410 Fighter Squadron, 23.04. – 19.05.45: 411 und 412 Fighter Squadron) den Platz, bevor sie das Gelände freigab.
Nach Ende des Krieges wurden die erhaltenen oder teilzerstörten Gebäude zur Linderung der Wohnungsnot als Notwohnungen für Obdachlose genutzt. Hierbei wurden die Reste total zerstörter für die Wiederherstellung beschädigter Gebäude genutzt. In ehemalige Funktionsgebäude zogen erste Gewerbebetriebe ein. Das ehemalige Sanitätsrevier wurde zum Altersheim. So entstand in der Umgebung des Fliegerhorstes der Stadtteil Lipperbruch. Ehemalige Kasernengebäude sind noch heute als solche an Hand ihres typischen Baustiles und dem teilweise aufwändigen Einsatz von Werksteinen aus grünem Anröchter Sandstein gut zu erkennen.
Auf dem ehemaligen Flugplatzgelände begann die britische Besatzungsmacht 1947 mit dem Aufbau einer eigenen Kaserne, dem „Camp El Alamein“. Zur Anlage dieses Camps wurden ebenerdige Baracken errichtet, die noch heute in Teilen das Bild der Kaserne prägen. Hier besteht ein auffälliger Kontrast zu den geradezu prächtig ausgeführten Bauten des ehemaligen Fliegerhorstes. Im Zuge des Aufbaus von „Camp El Alamein“ wurden noch die restlichen verbliebenen Anlagen des Fliegerhorstes, wie zum Beispiel die Hallenvorfelder gesprengt. Ab dem Jahre 1949 bis 1957 beherbergte das Lager eine Zollschule bis schließlich am 2.12.1957 die Übergabe an die Bundeswehrverwaltung erfolgte. Seit diesem Zeitpunkt wird die Anlage durch verschiedene Verbände des Heeres genutzt.
Obwohl die Mehrzahl der Gebäude des Fliegerhorstes nun ausserhalb der Kaserne liegen, werden einzelne erhaltene Bauten noch durch die Standortverwaltung genutzt. Hier sind insbesondere die ehemalige Feuerwache und Teile des Wirtschaftsgebäudes (Truppenküche) zu nennen.
Zum Schluss sei noch auf die Schrift „Lipperbruch – Ein Spiegelbild deutscher Zeitgeschichte“ von Wolfgang Suchanek und Ottomar Bittner, ISBN 3-9804307-0-7 hingewiesen.